Wenn das Leben plötzlich stillsteht: Was Sie im BU-Leistungsfall erwartet

Inhaltsverzeichnis

Letzte Woche saß mir wieder ein Mandant gegenüber, völlig verzweifelt. Burnout, drei Monate krankgeschrieben und keine Ahnung, wie er an seine BU-Rente kommt. “Ich dachte, ich ruf einfach an und die zahlen” – wenn es so einfach wäre!

Der Ablauf und das richtige Vorgehen sind entscheidend.

Nach über 15 Jahren im Versicherungsgeschäft und vielen BU-Fällen, die ich begleitet habe, möchte ich Ihnen heute mal offen erzählen, was Sie wirklich erwartet. Ohne Beschönigungen, ohne Marketinggeblubber – einfach die Erfahrung aus 30 Jahren Fairsicherungsladen-Praxis mit Berufsunfähigkeitsversicherung.

Was heißt eigentlich “berufsunfähig”?

Grundsätzlich sind keine Einzeldiagnosen oder Erkrankungen ausgeschlossen bei der BU, außer diese sind von vorneherein im Vertrag vereinbart gewesen. Dies vereinbaren Versicherer mit Kunden manchmal, wenn schon vor Vertragsabschluß gesundheitliche Beeinträchtigungen bekannt sind. Sog. Leistungsausschlüsse in der BU.

Wichtig: Berufsunfähig ist erstmal sinngemäß, “wer voraussichtlich in den nächsten 6 Monaten zu mindestens 50% nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben…”

Was das bedeutet

Klingt simpel, oder? Ist es aber nicht. Der Gesetzgeber hat das so ausformuliert: „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.”

Jedes Wort zählt hier. Besonders das “so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war” führt oft zu Diskussionen, da hier oftmals ein großer Raum an Interpretation zu sehen ist.  

Die Wahrheit: So lange dauert es wirklich

Von 1 Woche bis zu 6 Monaten – manchmal noch länger. Ich hatte schon Fälle, die sich über anderthalb Jahre hingezogen haben. Das Analysehaus Franke und Bornberg hat mal 156 Tage als Durchschnitt ermittelt. Oft liegt es an der bereits erwähnten Interpretation des Grades an „gesundheitlicher Beeinträchtigung“.

In unserer Praxis sehen wir:

  • Einfache Fälle (klare Diagnose, eindeutige Berufsunfähigkeit): 4-8 Wochen
  • Normalfälle: 3-4 Monate
  • Komplizierte Geschichten: 6 Monate bis …

Ein Kollege eines befreundeten und renommierten Versicherungsmaklers hat mal geschrieben: “Bis zur Bewilligung des Berufsunfähigkeitsversicherung-Leistungsfalls vergehen durch Rückfragen durchschnittlich knapp 10 Monate.” Und dies meist bei Diagnosen, die im Schweregrad medizinisch nicht klar definiert werden. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Je klarer die Diagnose und das Krankheitsbild, um so schneller geht es.

Warum so lange?

Weil die Versicherungsgesellschaft natürlich mit dem Geld, dass sie ausgeben soll, verantwortlich umgehen muss. Denn: Die Versicherung verwaltet im Grunde das Geld, dass alle Kunden einzahlen. Und eine Auszahlung dieser Gelder muss entsprechend den vertraglich vereinbarten Vertragsleistungen erfolgen und verantwortungsvoll geprüft werden. Ähnlich wie eine Bank, die ja mit einem Kredit auch das Geld der anderen Kunden verleiht, dass diese auf Sparkonten liegen haben.

So können Sie verstehen – bei einer 35-jährigen Berufstätigen mit 2.000 Euro BU-Rente geht es schnell um mehrere hunderttausend Euro Gesamtleistung, wenn eine dauerhaft Berufsunfähigkeit eintritt. Entsprechend sorgfältig (und eben nicht im negativen Sinne, wie es gerne dargestellt wird medial,) muss geprüft werden.

Das unterschätzte Problem: Psyche

Bei rund 40% aller BU-Fälle sind in der heutigen Zeit psychische Erkrankungen. Viele Kollegen predigen das schon lange, aber viele Menschen hören nicht gern bei dem Thema Psyche hin. Depression, Burnout, Angststörungen – das sind längst kein Randthemen mehr.

Das Problem dabei: Psychische Erkrankungen sind schwer “messbar”. Bei einem gebrochenen Bein ist klar – der kann erst einmal nicht mehr richtig gehen. Ein schwerer Schlaganfall ist selbstverständlich mindestens gleichbedeutet mit längerem Ausfall im Beruf. Ein Krebs oder Herzinfarkt sind klar definierbar und nachweisbar.

Aber bei Depressionen oder psychischen Erkrankungen wird oft diskutiert: “Könnte er nicht doch irgendwie arbeiten?

 

So läuft das Verfahren ab (und wo es hakt)

Der erste Schritt: Bloß nicht überstürzen!

Um einen Leistungsanspruch zu stellen und dann die Prüfung bei der Versicherung auszulösen, brauchen wir bitte am besten eine erste Bestätigung von Ihrem behandelnden Arzt, in dem er den obigen Satz aufnimmt, dass der Patient nach Ansicht des Arztes die 50% Berufsunfähigkeit für voraussichtlich 6 Monate erfüllt und die Diagnosen und erste Prognosen nennt. Außerdem, sofern Sie bereits tatsächlich berufsunfähig sind, auch die Zeit, seit der Sie nicht mehr arbeiten und separat, seit wann Sie bspw. krankgeschrieben sind. Erstmal eine Darstellung, um den Prozess auszulösen.

 

Dabei bitte entspannt bleiben

Viele machen hier schon den ersten Fehler: Sie stürmen zum Hausarzt und wollen sofort ein Attest. Der schreibt dann irgendwas, und später haben wir den Salat.

Wir können das auch ohne ein ärztliches Schreiben machen, dann bekommen Sie direkt Fragebögen für Ihren Arzt. Wir empfehlen Ihnen, diese GEMEINSAM mit dem Arzt durchzugehen.

Das ist ernst gemeint: GEMEINSAM! Nicht den Fragebogen hinschicken und hoffen. Termin machen, hingehen, zusammen ausfüllen. Warum? Weil Ärzte hunderte Patienten haben und sich erfahrungsgemäß “mit Gesicht” besser an Einzelfälle erinnern können. So kommt es nicht zu Verwechslungen oder Abweichungen.

Was dann kommt: Der Papierkram

Sie bekommen einen Fragenkatalog. 10, 15, manchmal 20 Seiten. Jede Frage ist ein potentieller Fallstrick: “Können Sie noch Treppen steigen?” – kommt drauf an. “Wie lange können Sie sitzen?” – mal so, mal so.

Wichtig ist: Klar beantworten, nicht zu kurz nach dem Motto „Hab ich doch schon gesagt“. Es geht auch um die hinterlegten Querprüfungen.

Dann folgen in der Regel Rückfragen und der Wunsch der Versicherung nach Bestätigung/Untersuchungsberichten der behandelnden Ärzte.

Hier wird’s nervig. Arzt A soll Bericht schicken. Dauert sechs Wochen. Facharzt B will einen neuen Termin. Nächster freier: in drei Monaten. So vergeht häufig sehr viel Zeit. Je besser Sie auch Kontakt zu Ärzten halten und das Ganze beschleunigen können, umso besser.

Das Gutachten: Freund oder Feind?

Wenn die Versicherung ein separates ärztliches Gutachten anordnet, ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits: Sie nehmen Sie ernst. Und nein, das ist keine Suche nach Argumenten gegen eine Leistung, sondern eine Zweitmeinung, wie man diese auch manchmal selbst einholt. Andererseits: Es sollte optimalerweise zum gleichen Ergebnis führen und man hat eine zumutbare Mitwirkungspflicht.

Ein erfahrener Versicherungsberater hat mir mal erklärt: “Wenn eine BU-Versicherung ein Gutachten in Auftrag gibt, dann macht sie es eher nicht, um Ihnen den Nachweis zu erleichtern, sondern eher deshalb, weil die bisherigen Unterlagen noch nicht für eine Ablehnung Ihres Anspruches ausreichen.”

Klingt zynisch und so negativ sehe ich das nicht. Es geht ja nicht darum, einen Kunden zu ärgern und auch nicht darum wie viele meinen, dass „Versicherungen alles versuchen, um nicht zahlen zu müssen“. Sondern einfach um ein Klarstellung.  

Die Zahlen: Grund zur Hoffnung?

80% aller BU-Anträge werden bewilligt. Das klingt gut, oder? Ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn viele geben schon vorher auf. Ich kenne genug Leute, die nach der dritten Nachfrage das Handtuch geworfen haben. Hierzu sagte mir ein Leistungsprüfer, dass er sich frage, ob die 20% Handtuchwerfer wirklich berufsunfähig seien und einfach keine Kraft mehr haben. Oder eben doch „lass mal probieren..“ gedacht haben, um eine Leistung von der Versicherung zu bekommen.

Ein Punkt, den die Statistiken gern verschweigen: “Es kommt häufig vor, dass Kunden einen Leistungsantrag stellen, der Versicherer kurzfristig den Kundenfragebogen verschickt und darauf vom Kunden keine weitere Reaktion erfährt.” Die sind dann nicht in den 20% Ablehnungen drin – die sind gar nicht in der Statistik.

Wichtig ist also an dieser Stelle auch wieder keine Negativbewertung vorzunehmen, sondern man sollte sich selbst sicher sein, dass man sich begründet berufsunfähig fühlt und das nicht „einfach mal versucht“, sondern ernsthaft dabei ist.

Stolperfallen, die richtig wehtun

Die Sache mit der Ehrlichkeit

Grundsätzlich ist eine offene und klare Darstellung entscheidend, und bitte nichts aus Scham verschweigen.

Ich hatte mal einen Mandanten, der beim Vertragsabschluss seine Rückenschmerzen verschwiegen hat. “War ja nicht so schlimm damals.” Jahre später: Bandscheibenvorfall, BU-Antrag. Versicherung prüft – findet Physiotherapie-Rechnungen aus der Zeit vor dem Vertragsabschluss. Anzeigepflichtverletzung, null Euro Rente.

12% aller Ablehnungen gehen auf sowas zurück. Vermeidbar? Ja. Ärgerlich? Extrem!

Mit der richtigen Beantwortung der Antragsfragen und einer anonymen Voranfrage mit Klärung lassen sich solche Probleme absolut vermeiden.

Das Wording-Problem

“Eine große Anzahl an Leistungsanträgen scheitert daran, dass der Kunde diese fehlerhaft ausfüllt.” Das ist leider wahr. Ein falsches Wort, eine ungenaue, laxe Formulierung – und Sie haben ein Problem.

Beispiel aus der Praxis: Kunde schreibt “kann nicht mehr arbeiten”. Versicherung interpretiert: “kann gar nichts mehr”. Kunde meint aber: “kann meinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben”. Unterschied? Riesig.

Bitte sich in einen Lesenden hinein versetzen und überlegen, ob die eigene Aussage verständlich rüber kommt.

Wann brauchen Sie einen Anwalt?

In einzelnen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzuzuziehen. Der Zeitpunkt dazu ist nicht leicht abzuschätzen. Man kann das bereits im Vorfeld für die Meldung tun, oder falls sich die Versicherung “quer” stellt.

Die Herren bspw. von Jöhnke & Reichow aus Hamburg vertreten nicht zu Unrecht die Auffassung: “In Berufsunfähigkeitsverfahren zahlt sich frühzeitige anwaltliche Expertise oftmals aus.” Aber Vorsicht – manche Anwälte nehmen jeden Fall, auch die hoffnungslosen. Die Auswahl des richtigen Anwalts kann also auch entscheidend sein.

Unsere Faustregel:

  • Bei Ablehnung ohne nachvollziehbare Begründung: sofort
  • Bei Anzeigepflichtverletzung-Vorwürfen: sofort
  • Bei psychischen Erkrankungen: oft sinnvoll
  • Bei “normalen” Rückfragen: erstmal abwarten

Was viele nicht wissen: Nachprüfungen

Selbst wenn Sie erstmal Rente bekommen – die Versicherung kann nachprüfen. …”hat der Versicherer das Recht, den Fortbestand der Berufsunfähigkeitsversicherung nachzuprüfen.”

Aber – und das ist wichtig – die Versicherer müssen beweisen, dass Sie nicht mehr berufsunfähig sind. Nicht umgekehrt. Den Nachweis einer objektiven Veränderung des Gesundheitszustands steht im Mittelpunkt der Nachprüfung.

Was unterm Strich übrig bleibt

Noch ein unangenehmer Punkt: Was Sie an BU-Rente bekommen, ist nicht unbedingt das, was Sie Netto erhalten. Je nach Tarif können noch Steuern anfallen, Krankenversicherungsbeiträge… Das sollten Sie bei der Absicherungshöhe berücksichtigen.

Meine direkten Praxis-Tipps

Nach all den Jahren im Geschäft ein paar Ratschläge:

Bevor es losgeht: Sammeln Sie ALLES. Jeden Arztbrief, jede Diagnose, jeden Therapiebericht. Chronologisch sortiert. Macht Arbeit, spart aber später Nerven und zeigt dem Versicherer Ihre Ernsthaftigkeit.

Während der Prüfung: Bleiben Sie höflich, aber bestimmt. Antworten Sie zeitnah, aber durchdacht. Und: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.

Bei Problemen: Nicht aufgeben! Ich hab schon Fälle erlebt, die beim dritten Anlauf durchgegangen sind. Manchmal braucht es nur den richtigen Sachbearbeiter.

Das wahre Problem dahinter

Wissen Sie, was mich am meisten bedrückt? Dass Menschen in ihrer schwierigsten Lebensphase auch noch um ihr Recht kämpfen müssen. Sie sind krank, haben Existenzängste und müssen gleichzeitig klarstellen, dass die vertraglichen Parameter erfüllt sind, was anstrengend sein kann.

Die RWM-Group hat es mal so formuliert: “Aktuelle Daten zeigen: Zwischen den BU-Versicherern gibt es große Unterschiede bei der Leistungsanerkennung.” Das ist diplomatisch ausgedrückt. Die Realität: Manche Versicherer zahlen gern, andere suchen sind sehr pedantisch. Auch hier sicher nicht unbedingt pauschal vom Versicherer abhängig, manchmal auch vom Sachbearbeiter. Denn: Versicherer sind ja keine große, wabernde Maße, sondern dort hat man es auch mit Menschen zu tun, solchen und jenen.

“Versicherer sind weder unsere noch deine Freunde. Im Leistungsfall wird dein Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung penibel geprüft” – so hart klingt das bei anderen Erfahrenen, aber sie haben recht.

Mein Fazit nach 15 Jahren

Der BU-Leistungsfall ist kein Spaziergang. Es ist ein Marathon mit Hindernissen. Aber – und das ist wichtig – er ist machbar. Mit der richtigen Vorbereitung, Geduld und manchmal auch professioneller Hilfe.

Was ich jedem rate: Nehmen Sie es ernst, aber lassen Sie sich nicht verrückt machen. Die meisten BU-Fälle gehen gut aus. Dauert manches Mal nur länger als erhofft und kostet mehr Nerven als nötig. Ein Erstattung der BU Rente erfolgt dann auch in den meisten Fällen rückwirkend.

Und noch was: Rund 40% aller BU-Fälle sind heute psychische Erkrankungen. Das kann jeden treffen. Auch Sie.

Und zu guter Letzt: Der Staat hat sich aufgrund der recht schweren Einschätzungslage nicht grundlos vor Jahrzehnten bei seinen Bürgern aus der Berufsunfähigkeitabsicherung herausgenommen. Private Versicherungsunternehmen sind die einzige und zuverlässigere Lösung. Mit immerhin 80% Leistungsquote.

Wichtiger Hinweis von uns:

Wir vom Fairsicherungsladen stehen unseren bestehenden Mandanten mit der ganzen Erfahrung zur Seite, wenn der BU-Fall eintritt.

Aber – und das müssen wir leider so deutlich sagen – wenn Sie bereits berufsunfähig sind und Ihre Versicherung nicht über uns abgeschlossen haben, können wir Ihnen nicht helfen. Unsere Kapazitäten sind begrenzt, und unsere erste Verpflichtung gilt unseren Mandanten. Bitte sehen Sie von entsprechenden Anfragen ab und wenden sich vertrauensvoll an Ihrem bestehenden Versicherungsmakler.

Letzte Woche saß mir wieder ein Mandant gegenüber, völlig verzweifelt. Burnout, drei Monate krankgeschrieben und keine Ahnung, wie er an seine BU-Rente kommt. “Ich dachte, ich ruf einfach an und die zahlen” – wenn es so einfach wäre!

Der Ablauf und das richtige Vorgehen sind entscheidend.

Nach über 15 Jahren im Versicherungsgeschäft und vielen BU-Fällen, die ich begleitet habe, möchte ich Ihnen heute mal offen erzählen, was Sie wirklich erwartet. Ohne Beschönigungen, ohne Marketinggeblubber – einfach die Erfahrung aus 30 Jahren Fairsicherungsladen-Praxis mit Berufsunfähigkeitsversicherung.

Was heißt eigentlich “berufsunfähig”?

Grundsätzlich sind keine Einzeldiagnosen oder Erkrankungen ausgeschlossen bei der BU, außer diese sind von vorneherein im Vertrag vereinbart gewesen. Dies vereinbaren Versicherer mit Kunden manchmal, wenn schon vor Vertragsabschluß gesundheitliche Beeinträchtigungen bekannt sind. Sog. Leistungsausschlüsse in der BU.

Wichtig: Berufsunfähig ist erstmal sinngemäß, “wer voraussichtlich in den nächsten 6 Monaten zu mindestens 50% nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben…”

Was das bedeutet

Klingt simpel, oder? Ist es aber nicht. Der Gesetzgeber hat das so ausformuliert: „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.”

Jedes Wort zählt hier. Besonders das “so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war” führt oft zu Diskussionen, da hier oftmals ein großer Raum an Interpretation zu sehen ist.  

Die Wahrheit: So lange dauert es wirklich

Von 1 Woche bis zu 6 Monaten – manchmal noch länger. Ich hatte schon Fälle, die sich über anderthalb Jahre hingezogen haben. Das Analysehaus Franke und Bornberg hat mal 156 Tage als Durchschnitt ermittelt. Oft liegt es an der bereits erwähnten Interpretation des Grades an „gesundheitlicher Beeinträchtigung“.

In unserer Praxis sehen wir:

  • Einfache Fälle (klare Diagnose, eindeutige Berufsunfähigkeit): 4-8 Wochen
  • Normalfälle: 3-4 Monate
  • Komplizierte Geschichten: 6 Monate bis …

Ein Kollege eines befreundeten und renommierten Versicherungsmaklers hat mal geschrieben: “Bis zur Bewilligung des Berufsunfähigkeitsversicherung-Leistungsfalls vergehen durch Rückfragen durchschnittlich knapp 10 Monate.” Und dies meist bei Diagnosen, die im Schweregrad medizinisch nicht klar definiert werden. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Je klarer die Diagnose und das Krankheitsbild, um so schneller geht es.

Warum so lange?

Weil die Versicherungsgesellschaft natürlich mit dem Geld, dass sie ausgeben soll, verantwortlich umgehen muss. Denn: Die Versicherung verwaltet im Grunde das Geld, dass alle Kunden einzahlen. Und eine Auszahlung dieser Gelder muss entsprechend den vertraglich vereinbarten Vertragsleistungen erfolgen und verantwortungsvoll geprüft werden. Ähnlich wie eine Bank, die ja mit einem Kredit auch das Geld der anderen Kunden verleiht, dass diese auf Sparkonten liegen haben.

So können Sie verstehen – bei einer 35-jährigen Berufstätigen mit 2.000 Euro BU-Rente geht es schnell um mehrere hunderttausend Euro Gesamtleistung, wenn eine dauerhaft Berufsunfähigkeit eintritt. Entsprechend sorgfältig (und eben nicht im negativen Sinne, wie es gerne dargestellt wird medial,) muss geprüft werden.

Das unterschätzte Problem: Psyche

Bei rund 40% aller BU-Fälle sind in der heutigen Zeit psychische Erkrankungen. Viele Kollegen predigen das schon lange, aber viele Menschen hören nicht gern bei dem Thema Psyche hin. Depression, Burnout, Angststörungen – das sind längst kein Randthemen mehr.

Das Problem dabei: Psychische Erkrankungen sind schwer “messbar”. Bei einem gebrochenen Bein ist klar – der kann erst einmal nicht mehr richtig gehen. Ein schwerer Schlaganfall ist selbstverständlich mindestens gleichbedeutet mit längerem Ausfall im Beruf. Ein Krebs oder Herzinfarkt sind klar definierbar und nachweisbar.

Aber bei Depressionen oder psychischen Erkrankungen wird oft diskutiert: “Könnte er nicht doch irgendwie arbeiten?

 

So läuft das Verfahren ab (und wo es hakt)

Der erste Schritt: Bloß nicht überstürzen!

Um einen Leistungsanspruch zu stellen und dann die Prüfung bei der Versicherung auszulösen, brauchen wir bitte am besten eine erste Bestätigung von Ihrem behandelnden Arzt, in dem er den obigen Satz aufnimmt, dass der Patient nach Ansicht des Arztes die 50% Berufsunfähigkeit für voraussichtlich 6 Monate erfüllt und die Diagnosen und erste Prognosen nennt. Außerdem, sofern Sie bereits tatsächlich berufsunfähig sind, auch die Zeit, seit der Sie nicht mehr arbeiten und separat, seit wann Sie bspw. krankgeschrieben sind. Erstmal eine Darstellung, um den Prozess auszulösen.

 

Dabei bitte entspannt bleiben

Viele machen hier schon den ersten Fehler: Sie stürmen zum Hausarzt und wollen sofort ein Attest. Der schreibt dann irgendwas, und später haben wir den Salat.

Wir können das auch ohne ein ärztliches Schreiben machen, dann bekommen Sie direkt Fragebögen für Ihren Arzt. Wir empfehlen Ihnen, diese GEMEINSAM mit dem Arzt durchzugehen.

Das ist ernst gemeint: GEMEINSAM! Nicht den Fragebogen hinschicken und hoffen. Termin machen, hingehen, zusammen ausfüllen. Warum? Weil Ärzte hunderte Patienten haben und sich erfahrungsgemäß “mit Gesicht” besser an Einzelfälle erinnern können. So kommt es nicht zu Verwechslungen oder Abweichungen.

Was dann kommt: Der Papierkram

Sie bekommen einen Fragenkatalog. 10, 15, manchmal 20 Seiten. Jede Frage ist ein potentieller Fallstrick: “Können Sie noch Treppen steigen?” – kommt drauf an. “Wie lange können Sie sitzen?” – mal so, mal so.

Wichtig ist: Klar beantworten, nicht zu kurz nach dem Motto „Hab ich doch schon gesagt“. Es geht auch um die hinterlegten Querprüfungen.

Dann folgen in der Regel Rückfragen und der Wunsch der Versicherung nach Bestätigung/Untersuchungsberichten der behandelnden Ärzte.

Hier wird’s nervig. Arzt A soll Bericht schicken. Dauert sechs Wochen. Facharzt B will einen neuen Termin. Nächster freier: in drei Monaten. So vergeht häufig sehr viel Zeit. Je besser Sie auch Kontakt zu Ärzten halten und das Ganze beschleunigen können, umso besser.

Das Gutachten: Freund oder Feind?

Wenn die Versicherung ein separates ärztliches Gutachten anordnet, ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits: Sie nehmen Sie ernst. Und nein, das ist keine Suche nach Argumenten gegen eine Leistung, sondern eine Zweitmeinung, wie man diese auch manchmal selbst einholt. Andererseits: Es sollte optimalerweise zum gleichen Ergebnis führen und man hat eine zumutbare Mitwirkungspflicht.

Ein erfahrener Versicherungsberater hat mir mal erklärt: “Wenn eine BU-Versicherung ein Gutachten in Auftrag gibt, dann macht sie es eher nicht, um Ihnen den Nachweis zu erleichtern, sondern eher deshalb, weil die bisherigen Unterlagen noch nicht für eine Ablehnung Ihres Anspruches ausreichen.”

Klingt zynisch und so negativ sehe ich das nicht. Es geht ja nicht darum, einen Kunden zu ärgern und auch nicht darum wie viele meinen, dass „Versicherungen alles versuchen, um nicht zahlen zu müssen“. Sondern einfach um ein Klarstellung.  

Die Zahlen: Grund zur Hoffnung?

80% aller BU-Anträge werden bewilligt. Das klingt gut, oder? Ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn viele geben schon vorher auf. Ich kenne genug Leute, die nach der dritten Nachfrage das Handtuch geworfen haben. Hierzu sagte mir ein Leistungsprüfer, dass er sich frage, ob die 20% Handtuchwerfer wirklich berufsunfähig seien und einfach keine Kraft mehr haben. Oder eben doch „lass mal probieren..“ gedacht haben, um eine Leistung von der Versicherung zu bekommen.

Ein Punkt, den die Statistiken gern verschweigen: “Es kommt häufig vor, dass Kunden einen Leistungsantrag stellen, der Versicherer kurzfristig den Kundenfragebogen verschickt und darauf vom Kunden keine weitere Reaktion erfährt.” Die sind dann nicht in den 20% Ablehnungen drin – die sind gar nicht in der Statistik.

Wichtig ist also an dieser Stelle auch wieder keine Negativbewertung vorzunehmen, sondern man sollte sich selbst sicher sein, dass man sich begründet berufsunfähig fühlt und das nicht „einfach mal versucht“, sondern ernsthaft dabei ist.

Stolperfallen, die richtig wehtun

Die Sache mit der Ehrlichkeit

Grundsätzlich ist eine offene und klare Darstellung entscheidend, und bitte nichts aus Scham verschweigen.

Ich hatte mal einen Mandanten, der beim Vertragsabschluss seine Rückenschmerzen verschwiegen hat. “War ja nicht so schlimm damals.” Jahre später: Bandscheibenvorfall, BU-Antrag. Versicherung prüft – findet Physiotherapie-Rechnungen aus der Zeit vor dem Vertragsabschluss. Anzeigepflichtverletzung, null Euro Rente.

12% aller Ablehnungen gehen auf sowas zurück. Vermeidbar? Ja. Ärgerlich? Extrem!

Mit der richtigen Beantwortung der Antragsfragen und einer anonymen Voranfrage mit Klärung lassen sich solche Probleme absolut vermeiden.

Das Wording-Problem

“Eine große Anzahl an Leistungsanträgen scheitert daran, dass der Kunde diese fehlerhaft ausfüllt.” Das ist leider wahr. Ein falsches Wort, eine ungenaue, laxe Formulierung – und Sie haben ein Problem.

Beispiel aus der Praxis: Kunde schreibt “kann nicht mehr arbeiten”. Versicherung interpretiert: “kann gar nichts mehr”. Kunde meint aber: “kann meinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben”. Unterschied? Riesig.

Bitte sich in einen Lesenden hinein versetzen und überlegen, ob die eigene Aussage verständlich rüber kommt.

Wann brauchen Sie einen Anwalt?

In einzelnen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzuzuziehen. Der Zeitpunkt dazu ist nicht leicht abzuschätzen. Man kann das bereits im Vorfeld für die Meldung tun, oder falls sich die Versicherung “quer” stellt.

Die Herren bspw. von Jöhnke & Reichow aus Hamburg vertreten nicht zu Unrecht die Auffassung: “In Berufsunfähigkeitsverfahren zahlt sich frühzeitige anwaltliche Expertise oftmals aus.” Aber Vorsicht – manche Anwälte nehmen jeden Fall, auch die hoffnungslosen. Die Auswahl des richtigen Anwalts kann also auch entscheidend sein.

Unsere Faustregel:

  • Bei Ablehnung ohne nachvollziehbare Begründung: sofort
  • Bei Anzeigepflichtverletzung-Vorwürfen: sofort
  • Bei psychischen Erkrankungen: oft sinnvoll
  • Bei “normalen” Rückfragen: erstmal abwarten

Was viele nicht wissen: Nachprüfungen

Selbst wenn Sie erstmal Rente bekommen – die Versicherung kann nachprüfen. …”hat der Versicherer das Recht, den Fortbestand der Berufsunfähigkeitsversicherung nachzuprüfen.”

Aber – und das ist wichtig – die Versicherer müssen beweisen, dass Sie nicht mehr berufsunfähig sind. Nicht umgekehrt. Den Nachweis einer objektiven Veränderung des Gesundheitszustands steht im Mittelpunkt der Nachprüfung.

Was unterm Strich übrig bleibt

Noch ein unangenehmer Punkt: Was Sie an BU-Rente bekommen, ist nicht unbedingt das, was Sie Netto erhalten. Je nach Tarif können noch Steuern anfallen, Krankenversicherungsbeiträge… Das sollten Sie bei der Absicherungshöhe berücksichtigen.

Meine direkten Praxis-Tipps

Nach all den Jahren im Geschäft ein paar Ratschläge:

Bevor es losgeht: Sammeln Sie ALLES. Jeden Arztbrief, jede Diagnose, jeden Therapiebericht. Chronologisch sortiert. Macht Arbeit, spart aber später Nerven und zeigt dem Versicherer Ihre Ernsthaftigkeit.

Während der Prüfung: Bleiben Sie höflich, aber bestimmt. Antworten Sie zeitnah, aber durchdacht. Und: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.

Bei Problemen: Nicht aufgeben! Ich hab schon Fälle erlebt, die beim dritten Anlauf durchgegangen sind. Manchmal braucht es nur den richtigen Sachbearbeiter.

Das wahre Problem dahinter

Wissen Sie, was mich am meisten bedrückt? Dass Menschen in ihrer schwierigsten Lebensphase auch noch um ihr Recht kämpfen müssen. Sie sind krank, haben Existenzängste und müssen gleichzeitig klarstellen, dass die vertraglichen Parameter erfüllt sind, was anstrengend sein kann.

Die RWM-Group hat es mal so formuliert: “Aktuelle Daten zeigen: Zwischen den BU-Versicherern gibt es große Unterschiede bei der Leistungsanerkennung.” Das ist diplomatisch ausgedrückt. Die Realität: Manche Versicherer zahlen gern, andere suchen sind sehr pedantisch. Auch hier sicher nicht unbedingt pauschal vom Versicherer abhängig, manchmal auch vom Sachbearbeiter. Denn: Versicherer sind ja keine große, wabernde Maße, sondern dort hat man es auch mit Menschen zu tun, solchen und jenen.

“Versicherer sind weder unsere noch deine Freunde. Im Leistungsfall wird dein Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung penibel geprüft” – so hart klingt das bei anderen Erfahrenen, aber sie haben recht.

Mein Fazit nach 15 Jahren

Der BU-Leistungsfall ist kein Spaziergang. Es ist ein Marathon mit Hindernissen. Aber – und das ist wichtig – er ist machbar. Mit der richtigen Vorbereitung, Geduld und manchmal auch professioneller Hilfe.

Was ich jedem rate: Nehmen Sie es ernst, aber lassen Sie sich nicht verrückt machen. Die meisten BU-Fälle gehen gut aus. Dauert manches Mal nur länger als erhofft und kostet mehr Nerven als nötig. Ein Erstattung der BU Rente erfolgt dann auch in den meisten Fällen rückwirkend.

Und noch was: Rund 40% aller BU-Fälle sind heute psychische Erkrankungen. Das kann jeden treffen. Auch Sie.

Und zu guter Letzt: Der Staat hat sich aufgrund der recht schweren Einschätzungslage nicht grundlos vor Jahrzehnten bei seinen Bürgern aus der Berufsunfähigkeitabsicherung herausgenommen. Private Versicherungsunternehmen sind die einzige und zuverlässigere Lösung. Mit immerhin 80% Leistungsquote.

Wichtiger Hinweis von uns:

Wir vom Fairsicherungsladen stehen unseren bestehenden Mandanten mit der ganzen Erfahrung zur Seite, wenn der BU-Fall eintritt.

Aber – und das müssen wir leider so deutlich sagen – wenn Sie bereits berufsunfähig sind und Ihre Versicherung nicht über uns abgeschlossen haben, können wir Ihnen nicht helfen. Unsere Kapazitäten sind begrenzt, und unsere erste Verpflichtung gilt unseren Mandanten. Bitte sehen Sie von entsprechenden Anfragen ab und wenden sich vertrauensvoll an Ihrem bestehenden Versicherungsmakler.

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