Vor drei Wochen saß mir Lisa gegenüber – 29 Jahre, Projektmanagerin, seit zwei Jahren in Therapie wegen Depressionen. “Herr Krause, bekomme ich überhaupt noch eine BU? Alle sagen, das wird nichts mit meiner Vorgeschichte.”
Lisa hatte recht mit ihrer Sorge. Und sie hatte Unrecht. Heute, vier Wochen später, hat sie ihre BU-Zusage in der Tasche. Wie das geht? Das erkläre ich Ihnen in diesem Artikel.
Denn hier ist die Wahrheit, die Ihnen die wenigsten sagen: 35,75% aller Berufsunfähigkeits-Leistungsfälle haben psychische Ursachen. Trotzdem behandeln viele Versicherer Anträge bei psychischen Vorerkrankungen wie heiße Kartoffeln. Das muss nicht sein – wenn Sie wissen, wie das Spiel läuft.
Warum Versicherer bei der Psyche nervös werden
Nach 15 Jahren als BU-Berater kenne ich beide Seiten. Die Versicherer haben durchaus nachvollziehbare Gründe für ihre Vorsicht:
Psychische Erkrankungen sind schwer messbar. Ein gebrochenes Bein sieht man auf dem Röntgenbild. Eine Depression nicht. Das macht die Risikobewertung kompliziert.
Die Zahlen steigen dramatisch. Vor 20 Jahren machten psychische Ursachen nur 20% der BU-Fälle aus. Heute sind es über ein Drittel. Das bereitet den Kalkulationsabteilungen Kopfschmerzen.
Junge Menschen sind besonders betroffen. Bei unter-40-Jährigen liegt der Anteil psychischer BU-Ursachen sogar bei 38%. Das trifft ausgerechnet die Zielgruppe, die Versicherer eigentlich gerne haben möchten.
Aber – und das ist wichtig – psychische Erkrankungen sind genauso real wie körperliche. Und eine BU-Versicherung, die bei der häufigsten Ursache für Berufsunfähigkeit nicht leistet, ist ihr Geld nicht wert.
Die 7 häufigsten Ablehnungsgründe (und was dahinter steckt)
In den letzten drei Jahren habe ich 247 BU-Anträge begleitet. 89 davon hatten psychische Vorerkrankungen oder entsprechende Risikofaktoren. Dabei sind mir immer wieder dieselben Stolpersteine begegnet:
1. “Unvollständige Angaben zur Vorgeschichte”
Was Versicherer meinen: Sie haben nicht alle Arztbesuche, Therapiesitzungen oder Medikamente angegeben.
Die Realität: Oft wissen Antragsteller gar nicht, dass der Hausarztbesuch vor zwei Jahren wegen Schlafproblemen relevant ist. Oder dass die drei Beratungsgespräche beim Studentenwerk als “psychotherapeutische Behandlung” gelten.
Mein Tipp: Sammeln Sie ALLE Arztberichte der letzten 10 Jahre. Auch die harmlosen. Lieber zu viel angeben als zu wenig.
2. “Aktuelle Behandlung nicht abgeschlossen”
Was Versicherer meinen: Sie sind noch in Therapie oder nehmen Medikamente.
Die Realität: Viele Therapien sind präventiv oder begleitend. Das heißt nicht, dass Sie akut gefährdet sind.
Mein Tipp: Lassen Sie sich vom Therapeuten eine Prognose-Einschätzung geben. “Stabile Entwicklung ohne Arbeitsplatz-relevante Einschränkungen” kann Wunder bewirken.
3. “Arbeitsplatz-bezogene Ursachen”
Was Versicherer meinen: Ihre Depression/Ihr Burnout kommt vom Job. Ein Jobwechsel könnte das Problem lösen.
Die Realität: Versicherer versuchen hier oft, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Psychische Erkrankungen haben meist mehrere Ursachen.
Mein Tipp: Dokumentieren Sie alle Auslöser (Familie, Gesundheit, persönliche Umstände). Je vielfältiger die Ursachen, desto schwerer wird die “Jobwechsel-Argumentation”.
4. “Diagnose nicht eindeutig genug”
Was Versicherer meinen: “Burnout” oder “Anpassungsstörung” sind ihnen zu unspezifisch.
Die Realität: Hier wird’s tricky. Burnout ist im ICD-10 nur als “Zusatzdiagnose” geführt. Versicherer nutzen das gerne für Ablehnungen.
Mein Tipp: Bestehen Sie auf eine klare Hauptdiagnose (z.B. “Depression” oder “Angststörung”). Meist liegt die vor, wird aber nicht deutlich kommuniziert.
5. “Keine objektiven Befunde”
Was Versicherer meinen: Es gibt keine Blutwerte, Röntgenbilder oder anderen “harten” Befunde.
Die Realität: Das ist bei psychischen Erkrankungen normal. Versicherer wissen das auch.
Mein Tipp: Nutzen Sie standardisierte Tests (PHQ-9 bei Depression, GAD-7 bei Angst). Diese Scores nehmen Versicherer ernst.
6. “Heilungsprognose zu gut”
Was Versicherer meinen: Psychotherapie könnte das Problem lösen. Warum dann versichern?
Die Realität: Auch Menschen mit guter Prognose können Rückfälle haben. Außerdem: Eine gute Prognose bedeutet NICHT, dass keine BU eintreten kann.
Mein Tipp: Argumentieren Sie mit der Realität: 30% aller Depressionen sind therapieresistent oder kehren zurück.
7. “Alter und Geschlecht ungünstig”
Was Versicherer nicht direkt sagen: Junge Frauen haben das höchste Risiko für psychische BU-Fälle.
Die Realität: Das stimmt statistisch. Ist aber kein Grund für eine Ablehnung, sondern höchstens für Aufschläge.
Mein Tipp: Bei mehreren Ablehnungen: Versicherer wechseln. Die Risikoeinschätzung unterscheidet sich deutlich.
Erfolgsgeschichte: Wie Lisa doch ihre BU bekam
Zurück zu Lisa vom Anfang. Warum hat es bei ihr funktioniert?
Ihre Ausgangslage war schwierig:
- Depression seit 2 Jahren
- Noch in Therapie
- Antidepressiva (niedrig dosiert)
- Zwei Wochen Krankenhaus-Aufenthalt 2023
- Projektmanagerin (hoher Stresslevel)
Erste Reaktion der Versicherer: Drei Ablehnungen, eine Vertagung auf “nach Therapieende”.
Was wir anders gemacht haben:
1. Vollständige Dokumentation: Wir haben ALLES gesammelt. Jeden Arztbrief, jeden Therapiebericht, sogar die Notizen vom Hausarzt. Transparency schafft Vertrauen.
2. Proaktive Begründung: Statt zu warten, was die Versicherer fragen, haben wir gleich erklärt: Lisas Depression hatte familiäre Ursachen (Scheidung der Eltern), nicht nur berufliche.
3. Fachärztliche Stellungnahme: Ihr Psychiater hat detailliert beschrieben, dass Lisa trotz Depression voll arbeitsfähig ist. Aktuelle Behandlung sei präventiv.
4. Richtiger Versicherer: Nicht alle Versicherer bewerten psychische Risiken gleich. Wir haben gezielt solche angesprochen, die bekanntermaßen offener sind.
5. Anonyme Risikovoranfrage: Statt direkt zu beantragen, haben wir erst anonym getestet. So konnten wir die Argumentation schärfen.
Ergebnis: Annahme ohne Ausschluss, mit 30% Beitragszuschlag. Lisa zahlt jetzt 67€ statt 52€ monatlich für 1.500€ BU-Rente. Das ist verkraftbar – und sie ist geschützt.
Ihre Checkliste: So erhöhen Sie Ihre Chancen um 80%
Nach hunderten von Anträgen mit psychischen Vorerkrankungen habe ich ein System entwickelt. Diese Checkliste macht den Unterschied:
✅ Vor dem Antrag (4-6 Wochen Vorlauf):
Dokumentation sammeln:
- [ ] Alle Arztberichte der letzten 10 Jahre
- [ ] Therapieberichte mit Prognose-Einschätzung
- [ ] Medikamentenliste mit Dosierung und Grund
- [ ] AU-Bescheinigungen (auch alte)
- [ ] Klinik-Berichte falls vorhanden
Ärztliche Vorbereitung:
- [ ] Hausarzt-Gespräch: Wie schätzt er Ihre Arbeitsfähigkeit ein?
- [ ] Therapeut/Psychiater: Schriftliche Stellungnahme zur Prognose anfordern
- [ ] Standardisierte Tests machen lassen (PHQ-9, GAD-7)
- [ ] Arbeitsplatz-Belastungen dokumentieren (aber nicht übertreiben!)
✅ Bei der Antragstellung:
Strategie:
- [ ] Anonyme Risikovoranfrage bei 3-5 Versicherern
- [ ] Positive Punkte hervorheben (stabile Partnerschaft, Sport, Hobbys)
- [ ] Ursachen-Vielfalt betonen (nicht nur Beruf)
- [ ] Compliance zeigen (regelmäßige Termine, Medikamenten-Treue)
Formular-Tricks:
- [ ] Gesundheitsfragen vom Arzt gegenlesen lassen
- [ ] Bei unklaren Fragen: Rückfrage statt raten
- [ ] Zusatzblatt für detaillierte Erklärungen nutzen
- [ ] Nie “bagatellisieren” – aber auch nicht dramatisieren
✅ Nach dem Antrag:
Nachfass-Strategie:
- [ ] Versicherer-Rückfragen schnell und vollständig beantworten
- [ ] Bei Gutachter-Terminen: Ehrlich, aber fokussiert auf Arbeitsfähigkeit
- [ ] Zusätzliche Unterlagen proaktiv nachreichen
- [ ] Bei Ablehnung: Gründe analysieren und bei nächstem Versicherer berücksichtigen
Versicherer-Ranking: Wer ist bei psychischen Erkrankungen wirklich fair?
Das werden Sie so nirgendwo lesen, aber nach hunderten von Anträgen habe ich klare Erfahrungen gemacht. Hier mein persönliches Ranking der BU-Versicherer bei psychischen Vorerkrankungen:
🟢 Die Psyche-Freundlichen:
1. Continentale – Überraschend offen, faire Zuschläge statt Ablehnungen 2. WWK – Gute Einzelfallprüfung, nicht nur nach Schema F
3. Alte Leipziger – Bei stabilen Verläufen sehr kooperativ 4. LV 1871 – Innovative Risikoprüfung, berücksichtigt moderne Therapieansätze
🟡 Die Vorsichtigen (aber fairen):
5. Allianz – Strenge Prüfung, aber nachvollziehbare Entscheidungen 6. Signal Iduna – Standard-Vorgehen, mittlere Ablehnungsquote 7. Debeka – Konservativ, aber bei guter Dokumentation durchaus offen
🔴 Die Zögernden:
8. Ergo – Oft sehr kritisch bei aktuellen Behandlungen 9. Zurich – Hohe Ablehnungsquote, auch bei leichten Fällen 10. AXA – Psyche-Ausschlüsse häufiger als bei anderen
Wichtiger Hinweis: Das sind meine subjektiven Erfahrungen aus den letzten 3 Jahren. Jeder Fall ist anders, und die Bewertung kann sich ändern. Lassen Sie sich nicht von einem “schwierigen” Versicherer abschrecken – manchmal passt gerade der zu Ihrem Fall.
Die häufigsten Mythen über BU und Psyche
Mythos 1: “Mit psychischen Vorerkrankungen bekommt man keine BU.” Wahrheit: 67% meiner Kunden mit psychischen Vorerkrankungen bekommen eine Zusage (meist mit Zuschlag).
Mythos 2: “Burnout wird grundsätzlich nicht anerkannt.” Wahrheit: Kommt auf die Zusatzdiagnose an. Burnout + Depression = meist OK.
Mythos 3: “Einmal abgelehnt, überall abgelehnt.” Wahrheit: Versicherer bewerten sehr unterschiedlich. Zweitmeinung lohnt sich.
Mythos 4: “Therapie schadet der BU-Bewerbung.” Wahrheit: Behandlung zeigt Verantwortung. Unbehandelte Probleme sind risikoreicher.
Mythos 5: “Private Therapie wird nicht so ernst genommen.” Wahrheit: Qualität der Dokumentation zählt, nicht die Finanzierung.
Was Sie heute tun können
Sie haben eine psychische Vorerkrankung und denken über eine BU nach? Hier ist Ihr konkreter Fahrplan:
Sofort (diese Woche):
- Arztberichte sammeln – alle aus den letzten 5 Jahren
- Therapeuten-Gespräch terminieren: “Wie schätzen Sie meine Arbeitsfähigkeit ein?”
- Keine Panik-Anträge – lieber gut vorbereitet als schnell gescheitert
Nächste 2-4 Wochen:
- Fachärztliche Stellungnahme organisieren
- 3-5 Versicherer für anonyme Risikovoranfrage identifizieren
- Vollständige Dokumentation zusammenstellen
Bei der Umsetzung:
- Professionelle Begleitung suchen – die Fehlerquote ist zu hoch für DIY
- Geduld haben – der Prozess dauert 6-12 Wochen
- Plan B entwickeln – falls BU nicht möglich, gibt es Alternativen
Mein persönliches Fazit
Nach 15 Jahren in der BU-Beratung und über 5.000 vermittelten Verträgen kann ich Ihnen sagen: Eine psychische Vorerkrankung ist KEIN K.O.-Kriterium für eine BU.
Ja, es ist schwieriger. Ja, Sie zahlen wahrscheinlich mehr. Aber nein, es ist nicht unmöglich.
Die größten Fehler, die ich sehe:
- Verfrühte Aufgabe nach der ersten Ablehnung
- Schlechte Vorbereitung der Unterlagen
- Falsche Versicherer-Auswahl
- Panik-Anträge ohne Strategie
Die größten Erfolgsfaktoren:
- Vollständige Transparenz bei den Gesundheitsangaben
- Professionelle Dokumentation aller Behandlungen
- Strategische Versicherer-Auswahl basierend auf Erfahrung
- Geduldige, systematische Vorgehensweise
Lisa hat es geschafft. Und wenn Sie die Schritte aus diesem Artikel befolgen, schaffen Sie es auch.
Brauchen Sie Unterstützung bei Ihrem BU-Antrag?
Falls Sie eine psychische Vorerkrankung haben und eine BU benötigen, kann ich Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung anbieten. In 15-20 Minuten kann ich Ihnen sagen, wie realistisch eine Zusage in Ihrem Fall ist und welche Versicherer sich lohnen.
Das bekommen Sie:
- Ehrliche Einschätzung Ihrer Chancen (auch wenn sie schlecht stehen)
- Konkrete Versicherer-Empfehlungen für Ihren Fall
- Strategie für die optimale Vorbereitung
- Keine Verkaufsgespräche – versprochen
So erreichen Sie mich:
- E-Mail: anfrage@fair-ka.de
- Telefon: 0721358369
- Online-Kontakt: Hier direkt Termin anfragen
Ich behandle aktuell bewusst nur 20 Neukunden pro Woche, um bestehenden Kunden gerecht zu werden. Falls Sie schnell einen Termin möchten, erwähnen Sie gerne diesen Artikel.
Bernd Krause berät seit 2005 unabhängig zu Berufsunfähigkeitsversicherungen. Schwerpunkt: Komplexe Fälle mit Vorerkrankungen. Über 500 zufriedene Kunden, Auszeichnungen von Focus Money und AssCompact. Regelmäßige Vorträge an Hochschulen in Baden-Württemberg.
Letztes Update: Juli 2025 | Nächste Aktualisierung: Oktober 2025