Bestätigung Vorversicherungszeiten gesetzliche Krankenkasse
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20. Juni 2022Der aktuelle Handelsblatt Versicherungstest – gewürfelt? Das ist die Frage die man sich stellen muss, wenn man ihn liest. Diesmal haben sich viele Kollegen auf ihren Blogs die Mühe gemacht, Stellung zu den Tests zu nehmen. Warum? Darum:
Was wurde getestet?
Getestet wurden private Krankenversicherungen, Haftpflichtversicherungen, Hausrat-, Rechtsschutz und Wohngebäudeversicherungen.
Dabei wurden Musterfälle aufgebaut hinsichtlich Wohnfläche, Familiensituation und Alter, die so wie es aussieht einen Durchschnittsdeutschen darstellen sollen.
Für den inhaltlichen Vergleich wurde eine Versicherungs-Analysesoftware genutzt namens Franke & Bornberg, die wir auch sehr gerne benutzen. Die Qualität der Bedingungen wurde mit 70% gewertet, der Preis des jeweiligen Versicherungsangebot mit 30%. Diese Gewichtung ist auf den ersten Blick zumindest vernünftig, allerdings eben völlig willkürlich. Warum nicht 80:20? Was im Schadensfall wichtig ist, ist das Kleingedruckte, nicht der Preis. Und manchmal ist ein Unterschied von 15 Euro Jahresbeitrag vielleicht den Mehrbeitrag wert und über solche Verhältnismäßigkeiten spricht man bei den meisten Sachversicherungen (Haftpflicht, Hausrat, Rechtsschutz).
Nun gut. Schauen wir uns die Auswertung an.
Private Haftpflichtversicherung
Aufgebaut wird das Szenario mit einem Familienvater von 36 Jahren und zwei Kindern. Deliktsunfähige Kinder, Gefälligkeitshandlungen und Forderungsausfall sollen mitversichert sein. Ja, das sind durchaus wichtige Punkte. Tatsächlich kann Franke & Bornberg deutlich mehr. Es unterscheiden sich insgesamt über ca 4 Din-A4 Seiten an die …. Leistungspunkte. Beispielsweise auch die Summenbegrenzung für Forderungsaufall, Neuwertentschädigung, Regelung bei grober Fahrlässigkeit etc. Insgesamt wurde bspw. bei der VHV der „kleine Tarif“ wegen der oben genannten Gewichtung in die Kategorie „sehr gut“ aufgenommen. Diese endet bei 86 Eur Jahresbeitrag. Die Kategorie „gut“ fängt dann bei 91 Eur an. Dass zum Beispiel der „große“ VHV Tarif (Exklusiv) bei 89 Euro in dem genannten Modellfall liegt und zum Beispiel auch „sehr gut“ wäre, bleibt beispielsweise unerwähnt. Und obwohl der Test in der Sales-Story auf digitale Leistungen verweist und dass damit die Swiss-Life total super ist, fehlen weitere digitale Versicherer wie Neodigital oder Adam-Riese im Vergleich. Ansonsten ist die Auswahl passabel. Fazit: Nicht schlecht aber wenig transparent.
Rechtsschutzversicherung
Bei der Hausratversicherung wird wieder eine Familiensituation mit Kindern aufgebaut. Durchaus sinnvoll hier die Herangehensweise, alle vier Grundbausteine wie Privat, Beruf, Verkehr und Wohnen mit hereinzunehmen. Der Hinweis auf Urlaubsstreitigkeiten; ja okay. Würden ggf. und den Baustein Privat fallen. Völlig außer Acht gelassen wird Strafrecht, Vorvertraglichkeit, Zusatzleistungen wie telefonische Rechtsberatung und ähnliche praxisnahe Facetten. Die Selbstbeteiligung wurde auf 150 Euro, was sehr niedrig ist, ausgelegt.
Die Grundidee dabei ist natürlich ein umfassender Schutz. Es gibt jedoch auch gute Tarife, die eine sogenannte variable Selbstbeteiligung haben. Das bedeutet, man kann sich bspw. bei einem Selbstbehalt von 300 oder 400 Euro einen Anwalt selbst suchen. Oder wenn man einen aus dem apraxa.de Netzwerk wählt, über das viele Versicherer arbeiten, ermäßigt sich diese um die Hälfte. Also auf 150 oder 200 Euro. Diese Tarife fehlen und würden einen sehr hochwertigen Versicherungsschutz auch unter 300 Euro Jahresprämie ermöglichen. Die Wahl der 150 Euro Selbstbeteiligung ist damit leider zu einer klaren, aber verfälschenden Grenze geworden.
Im Begleittext kam auch folgender Hinweis auf, der mit Vorsicht zu genießen ist: „[..]der Höchstnote „sehr gut“ bewertet. Dabei haben die Experten Policen untersucht, die die Bereiche Privat, Verkehr, Beruf und Wohnen einschließen. „Häufig haben Verbraucher Rechtsschutz durch die Mitgliedschaft in einem Mieterverein oder Berufsrechtsschutz durch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Sie brauchen deswegen einen entsprechenden weniger umfassenden Rechtsschutz“, empfiehlt Verbraucherschützer Peter Grieble von der Verbrauch.[..]“ Ja, die Gewerkschaften und Mietervereine bieten einen Grundschutz. Aufpassen sollte man, da diese in der Regel keine Anwaltswahl zulassen und lediglich die erste Instanz bei Gericht abdecken. Hier kommt es auf die persönlich Situation an, ob es als ausreichend betrachtet wird oder nicht.
Wohngebäudeversicherung und Hausratversicherung
Für die Hausratversicherung und Wohngebäudeversicherung wurden einhellige Annahmen getroffen. Vorweg; eine Familiensituation spielt bei beiden überhaupt keine Rolle. Die Hausratversicherung wurde als 100qm Wohnfläche definiert, Fahrraddiebstahl und Wertsachen sowie Überspannungsschäden sollten mitversichert sein. Wie viel erstattet wird für Fahrraddiebstahl wird hier nicht definiert. Die Versicherer haben hier jedoch krasse Unterschiede, ab welchem Betrag Zuschläge dazu kommen, siehe die Kosten eines E-Bike oder Pedelec. Und schlussendlich für die Wohngebäudeversicherung wurde ein Einfamilienhaus mit 134qm Wohnfläche vorgegeben. Elementarschäden und grobe Fahrlässigkeit sollten inklusive sein. Das ist auch sinnvoll und völlig richtig gedacht. Es wurden Adressen in Berlin, Hamburg, Hannover, Köln und München ausgewählt. Man gestatte mir die Mutmaßung, vielleicht kommt von dort die Hauptleserschaft. Um sich ein Bild über die Versicherungen zu machen und Modellbeiträge zu rechnen, ist das nicht sinnvoll. Im Begleittext wird bspw. aufgrund der Elementarschäden das Ahrtal erwähnt. Es fehlen maßgebliche Städte an Rhein und Mosel oder aus den neuen Bundesländern.
Lage,Lage,Lage
Warum reite ich darauf herum: Im Prinzip wird aus Versicherungssicht über Deutschland ein Wabennetz gelegt. Jede Wabe bekommt eine Risikoeinstufung für Einbruch/Diebstahl, Feuerrisiko, Elementarschäden und Stürme. Die Waben sind aber nicht riesig groß, sondern sagen wir mittelgroß. Das bedeutet, in einer Stadt alleine (insbesondere den benannten Großstädten), kann es mehrere Waben geben. Und die richten sich nicht unbedingt nach Straßennamen, sondern es kann passieren, dass eine Hausnummer bereits in eine andere Wabe fällt als das Nachbargebäude. Damit weichen die Kosten der Versicherungen für die beiden Nachbarn signifikant voneinander ab. Und die benannten Städte sind sehr groß, die Abweichung kann dort enorm sein.
Also: Ohne genaue Adresse wird die Berechnung sehr unpräzise.
Noch krasser wird es bei der Wohngebäudeversicherung. Hier wäre außerdem für eine Berechnung mindestens notwendig die sogenannte Bauartklasse (Sprich Fertighaus, Gemauert, Art der Dacheindeckung) sowie das Bau- und/oder Sanierungsjahr. Nichts davon ist ersichtlich. Und Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass es auch in den genannten Städten Häuser gibt die gestern gebaut wurden und welche, die aus den 60ern kommen und älter sind. Wer schonmal ein Haus mit mehr als 40 Jahren Alter versucht hat zu versichern weiß, dass die Prämien hier jenseits der genannten 461 Euro maximum liegen. Eher fünfstellig. Selbst der beste/billigste Tarif wirkt vor diesem Hintergrund völlig wahllos und gewürfelt.
Dieser Test schürt schlichtweg eine Erwartungshaltung und gibt Einschätzungen wieder, die von der Realität nicht weiter entfernt sein könnten.
Private Krankenversicherung für Angestellte, Selbstständige und Beamte
Der PKV Test von Handelsblatt für die besten privaten Krankenversicherungen ist ebenfalls denkwürdig. Hier wurde die Gewichtung verlagert: Leistungen der PKVs 50%, Beitragshöhe 30%, Finanzstärke private Krankenversicherung mit 20%. Klar, irgendeine Gewichtung muss man machen.
Der Beginn mit den Altersgruppen für Beamte ist interessant; Einstiegsalter 30. Wirkt wie ein Mittelwert. ABER: Die Wahl einer Selbstbeteiligung von 600 Euro mag bei Angestellten Sinn machen, jedoch nicht bei Beamten! Die meisten Beamtentarife haben überhaupt keine Selbstbeteiligung und nur einer (ein einziger) 500. Und es bekommt ein Tarif eine hohe Punktzahl, der eine Summenbegrenzung bei Hilfsmitteln hat. Einem im Zweifel sehr kostenintensiven Thema.
Tarifebene
Viel interessanter ist noch die Handelsblatt-Siegerauswahl. ARAG MedBest, Hallesche NK Select XL Bonus und Continentale Premium mit Sp1. Hier allerdings den Eindruck zu vermitteln, man könnte private Krankenversicherungen in Grundschutz, Standard und Topschutz unterteilen, weckt falsche Hoffnung. Erst Recht, wenn man dies mit der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichen will. Die gesetzlichen KrankenKASSEN beruhen auf dem Sozialgesetzbuch. Die privaten KrankenVERSICHERUNGEN sind ein privates Vertragswerk. Man kann sich sowohl besser als auch viel schlechter versichern in der gesetzlichen Krankenkasse. Bei den privaten Krankenversicherungen trennt sich eher die Spreu vom Weizen, was die Leistungen bei Hilfsmitteln, Vorsorgeuntersuchungen, Kur+Reha und einigen weiteren Punkten betrifft. Weiteres wären die erstattungsfähigen Gebührensätze und einiges mehr. Davon abgesehen das faszinierende Ergebnis als Testsieger, die ARAG. Den Tarif als solchen gibt es seit 2019. Nachdem es erst seit 2013 überhaupt neue Tarife gab. Und wieder schafft es die ARAG wie in den vielen Jahren vorher auch, einen inhaltlich super gut aufgestellten Tarif für ganz kleines Geld auf den Markt zu bringen. Wer sich mal in unserem YT-Kanal umschaut findet die Erklärung warum das nicht funktionieren kann, wie auch jeder, der einmal bei uns in der Beratung war. Man muss auch umgekehrt nicht teuer abschließen. Die guten Tarife einer (beliebigen) PKV müssen jedoch auskömmlich kalkuliert sein, alles andere ist Bauernfängerei.
Auch der ganz neue NK Select Bonus der Halleschen schafft es nach vorne, wobei der Bonus 100 Eur mtl. ausmachen kann. Wenn man gesund ist. Super. Jung klappt das in der Regel, wenn man Alt ist sicher nicht mehr. Dann wechselt man aber auch die PKV nicht mehr.
Vermeintlich einfach zu durchschauen
Wichtig sind allerdings nicht nur die grünen oder roten Felder, sondern auch, was konkret dahinter formuliert ist.
So könnten wir einen Tarif nach dem anderen weiter durchleuchten, die Bewertung bleibt intransparent und die Sinnhaftigkeit der Einordnung sehr fraglich. Richtiger wäre auch statt der Kapitalstärke die Beitragsstabilität heranzuziehen und auch anzugeben, seit wann diese gemessen wurde. Seit wann es also den Tarif gibt, denn nur dann kann man eine Ableitung treffen. Eine Krankenversicherung mit aktuell bspw. 6 Tarifen und weiteren Ausbau-Bausteinen, was eine moderat angesetzt Zahl ist, nur wenige liegen darunter kann so finanzstark aufgestellt sein wie sie will.
Die Tarife haben unterschiedliche Beitragsstabilität, denn hier zählt nicht die Größe (auch wenn das bei Versicherern wie Debeka, RuV und Allianz) immer anders kommuniziert wird, sondern die Stärke und Kalkulation des einzelnen Tarifs. Das Kollektiv ist, anders als bei den gesetzlichen Krankenkassen, nicht in der Hauptsache, sondern die Einzelperson.
Deswegen wird auch jede(r) Einzelne mit seinem Alter und seinen Gesundheitsdaten ganz individuell berechnet und eingestuft wird. Genau in den Tarifen, die derjenige gewählt hat, nicht pauschal bei dem Versicherer. Auch eine im Test genannte Signal-Iduna kann so finanzstark sein wie sie möchte. Wenn man den Komfort Plus mit 480 Euro Selbstbeteiligung wählt entwickelt und kostet der ganz anders als der Exklusiv mit 0 Euro Selbstbeteiligung. Tatsächlich hat dieser Versicherer jeden Grundtarif schon in der Selbstbeteiligungsstufen.
Das einmal als Ausflug, denn bei diesem Handelsblatt Test 2022 zu einem elementaren Thema wie private Krankenversicherung, die man nicht so einfach jährlich wechselt wie eine Haftpflicht, sträuben sich jedem Profi die Haare.
Fazit der Handelsblatt Versicherungstest 2022
Alles in Allem können wir sehr dankbar sein, dass nicht auch noch Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Rentenversicherungen getestet wurden. Lange Rede kurzer Sinn: Diese Tests und Ergebnisse sind weder transparent noch realitätsnah, was für eine Quelle wie Handelsblatt wirklich unverständlich ist.